Einblicke

Kreatives Design zeigt traditionelle lettische Materialien in neuem Licht

Foto: Andrejs Jaudzems
07 April 2015

Die Kreativität der Menschen ist sehr verschiedenen: manche Menschen erfinden Neues und Einzigartiges, während andere bereits Bestehendem neues Leben einhauchen. Typisch für die Letten ist der Wille, traditionelle Designelemente neu zu interpretieren – in Bezug auf das Material, die Form und die Funktionalität.

Die typisch lettischen Farben und Materialien finden ihren Ursprung im 18. und 19.Jahrhundert als die Menschen ihre Kleidung, Schmuck, Tischdecken und andere Haushaltswaren selbst mithilfe natürlicher Materialien herstellten. Somit wurden Bernstein, Leinen, Wolle, Holz, Ton, Leder und andere Materialien sowie deren Struktur und Farbe, zu einem Teil des lettischen Lebensgefühls und beeinflussten die lettische Wahrnehmung ihres ästhetischen Umfeldes.

Im letzten Jahrzehnt erhielten lettische Designarbeiten internationale Anerkennung. Oft sind sie von den Traditionen des lettischen Handwerks inspiriert. Die Kombination traditioneller und moderner Elemente erschafft originelle, hochqualitative Design- und Kunstobjekte. Das Kulturprogramm der lettischen EU-Ratspräsidentschaft bietet eine Einführung in die Arbeit der Designer und betont die Einzigartigkeit der Werke und ihren zeitgenössischen Umgang mit Traditionen, die den Werken zu einem exzellenten internationalen Ruf verhilft.

Die Letten und der Ton

Ton ist das Material, das einem beim lettischen traditionellen Handwerken zuerst in den Sinn kommt und am besten wird lettisches Essen auf Keramikgeschirr serviert.

Proud latvia CLAY
The Clay Latvian. Ingrīda Žagata

Ingrīda Žagata, eine Keramikmeisterin mit 30 Jahren Erfahrung und Besitzerin des “Cepļi" Workshops, weiß, wie man neues Leben in das seit Millionen von Jahren existierende Material haucht. Ingrīda Žagata erklärt, dass Ton ein Material ist, das Zeit benötigt und nur die Geduldigen belohnt: „Man sagt, dass Geld alles kaufen kann, aber es kann nicht das Gefäß schneller fertigstellen. Auch wenn man mir alles Geld der Welt anbieten würde, könnte ich immer noch nicht das Gefäß am nächsten Tag abliefern.“

Ingrīda bevorzugt den traditionellen schwarzen Brennofen, in dem schwarze Gefäße entstehen. Mit dieser Töpferei nimmt sie regelmäßig an internationalen Designausstellungen teil. Die ausgestellten Objekte finden häufig ihren Weg in die Kunstsammlungen in Europa, den USA und Japan. Žagata verhilft diesem traditionellen Material zu neuen Formen, ungewöhnlichen Motiven und sogar neuen Funktionen. Neben traditionellen Tassen und Schüsseln aus Ton, kreiert sie Aromalampen, Objekte für das Badezimmer und sogar Champagnergläser aus Ton, die den ersten lettischen Töpfer sicherlich unbekannt waren.

Die Letten und der Bernstein

Die Verarbeitung des Bernsteins in Lettland begann vor mehreren tausend Jahren. Dieser „Sonnenstein“ wurde wie ein Juwel verwendet, diente als Tauschmittel, wurde in Kleidern und verschiedenen Ornamenten verarbeitet und begleitete die Toten in ihre Gräber.

Proud latvia AMBER
The Amber Latvian. Inita Dzalbe

Vor einigen Jahren entwickelte Inga Ļašenko, Wissenschaftlerin an der Technischen Universität Riga, eine neue Art, Bernstein zu benutzen. Sie produzierte Bernsteinfaden, der ursprünglich für medizinische Zwecke gedacht war, doch lettische Textilkünstler zeigten bald ihr Interesse an der Erfindung. Eine dieser Künstlerinnen ist Inita Dzalbe, deren Weber im Unternehmen AmbLine Kleidung und Bettwäsche herstellen, indem sie den Bernsteinfaden in Leinen, Wolle, Baumwolle oder Kaschmir hineinweben.

„Es sieht aus wie ein einfacher Schal, aber er ist so viel mehr als das. Bernsteinfaden macht den Webprozess viel schwieriger, aber er fügt unseren Produkten viel mehr Wert hinzu und ermöglicht es, Bernstein jederzeit zu tragen!“, so Inita Dzalbe. Kunden in Lettland, Europa und Asien sind überrascht, wie Bernstein sich in der Form eines Fadens so sehr von dem üblichen gelb-orangenen Sonnenstein unterscheidet – er ist fast nicht bemerkbar. Die innovative Nutzung des Bernsteines garantiert nicht nur eine Überraschung, sondern besitzt auch antibakterielle und regenerative Eigenschaften.

Die Letten und das Holz

Wälder bedecken mehr als die Hälfte der Fläche Lettlands und deshalb haben die Letten eine besondere Beziehung zu Bäumen.

Proud latvia WOODEN
The Wooden Latvian. Aldis Circenis

Möbeldesigner Aldis Circenis sieht Holz als ein nachhaltiges Material für jedermann: es ist ein leicht zugängliches Baumaterial, das mit den Händen verarbeitet werden kann. In seiner Arbeit greift er auf seine Ausbildung als Architekt zurück, sein Wissen über Kompositionen, Mechanik und Kunstgeschichte. „Man hat mich gelehrt, dass der Designer den natürlichen Charakter des Materials respektieren muss: das Material sollte nicht durch Missachtung seiner Natur und der Vortäuschung, es sei etwas anderes, gequält werden.“

Es ist möglich, sogar die traditionellsten Möbel, wie zum Beispiel einen Stuhl, kreativ zu entwickeln. Dies veranschaulicht Circenis‘ Bloom Stuhl, für den er 2012 den renommierten Red Dot Award erhielt. Nichtsdestotrotz erklärt der Designer, dass unter all den Objekten, die er über die Jahre hinweg kreiert hat, das Roo Schaukelpferd sein liebstes Objekt ist. „Es hat mir eine große Freude bereitet. Ich habe gesehen, wie sehr wichtige und ernste Menschen während professionellen Ausstellungen spontan lächeln, wenn sie Roo sehen.“  

Die Letten und das Leder

Die altertümlichen Letten trugen gewebte Schuhe aus Baumrinde (vīzes) und mokassinartige Lederschuhe (pastalas), wie jedes Kind in Lettland weiß.

Proud latvia LEATHER
The Leather Latvian. Elīna Dobele

Lederschuhe gibt es noch heute und die lettische Designerin Elīna Dobele hat diesen Schuhen eine besondere Geometrie, klare Linien und ungewöhnliche Formen verliehen. Für sie ist Leder ein edles und weises Material, das reift, Falten bekommt, seine Farbe verändert und mit der Zeit nur besser wird; es ist flexibel und passt sich dem Träger an. „Leder ist ‚ein Erlebnis für sich‘. Bevor es zu etwas Tragbaren wird, durchläuft das Leder so viele Phasen und wird von so vielen Händen angefasst“, sagt Elīna Dobele.

Im Bestreben Schuhe herzustellen, die nicht nur schön sondern auch ein komfortables „Zuhause für die Füße“ sind, hat Dobele die Anatomie des Fußes und die Eigenschaften der verschiedenen Materialien aufmerksam studiert. Sie sucht weiterhin in ihren Designs nach Überschneidungen von Tradition und Moderne, um die verschiedenen Arten der Lederarbeiten zu erforschen und mit neuen Materialien zu experimentieren.

 

Die Werke dieser kreativen Letten, die Ton, Bernstein, Holz und Leder verarbeiten, können in der Wanderausstellung „PROUND LATVIA. Erfolgsgeschichten des lettischen Designs“ des TEIKA Designstudios betrachtet werden. Die Ausstellung ist Teil des Kulturprogramms der Lettischen Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union und spiegelt den kreativen Prozess der lettischen Designindustrie der letzten Jahrzehnte wider. Die Ausstellung war im Februar in Irland zu sehen und wird im April nach Japan reisen. Viele weitere lettische Design-Erfolgsgeschichten lassen sich auf der PROUD LATVIA Webseite finden.

Contact
Linda Jākobsone
Abteilungsleiterin Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit