Einblicke

EU-Zentralasien-Strategie – an der Schnittstelle des Wachstums zweier Kontinente

©UE/Florije Ahmetaj
25 Juni 2015

Jahrhunderte lang war Zentralasien als Bindeglied zwischen Europa und Asien eine Region von strategischer Bedeutung. Seit der Wiedererlangung der Unabhängigkeit erlebten die fünf zentralasiatischen Staaten Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan bemerkenswerte politische und wirtschaftliche Transformationen, indem Einrichtungen und politischen Institutionen unabhängiger Staaten gebildet wurden und den Übergang von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft ebneten. Das gemeinsame Ziel, durch Zusammenarbeit Stabilität und Wohlstand zu erreichen, hat die Europäischen Union und die zentralasiatischen Länder zu engen Partner werden lassen. 

Die Bedeutung der zentralasiatischen Länder nimmt stetig zu. Der EU ist diese Region wichtig, da sie sowohl als Wirtschaftsbrücke zwischen Europa und China dient, die nicht selten als Wirtschaftsgürtel der Seidenstraße (Silk Road Economic Belt) bezeichnet wird, als auch ein unermessliches, noch ungenutztes wirtschaftliches Potential birgt. 

Gleichzeitig ist die Zusammenarbeit zwischen der EU und Zentralasien für die Gewährleistung der Sicherheit in der Region von Bedeutung. Die EU ist nach China der größte Wirtschaftspartner für die zentralasiatischen Staaten und agiert in Modernisierungs- und Reform-Kooperatoinsprojekten ebenfalls als Vermittler und Geldgeber. Die zentralasiatische Region birgt ein großes Potential für Unternehmen und Entwicklungsmöglichkeiten – für den Zeitraum von 2014 bis 2020 belaufen sich die zur Verfügung stehenden Mittel des Zentralasien-Strategie-Programms auf 1,068 Milliarden Euro, das sind 56% mehr als im vorherigen Zeitraum (2007-2013).

Schwerpunkte der Zusammenarbeit  

Seit 2007, als die EU eine politische Strategie für die Zusammenarbeit mit den zentralasiatischen Ländern entwickelte, sind die regionalen Beziehungen in verschiedenen Bereichen enger geworden. Im Laufe der Zeit haben die EU und die zentralasiatischen Staaten konsequent ihre Absicht betont, weiterhin an der Förderung der wechselseitigen Zusammenarbeit zu arbeiten. Da die Region mit neuen und wachsenden Sicherheitsherausforderungen insbesondere im Zusammenhang mit Afghanistan konfrontiert ist, sind Sicherheitsfragen im Zusammenhang mit der EU besonders wichtig. 

Bildung, Rechtsstaatlichkeit, Energie und Verkehr, Umweltmanagement und Herausforderungen bezüglich der Wasserressourcen sowie Handels- und Wirtschaftsbeziehungen sind die wichtigsten Bereiche, in denen die EU und Zentralasien eng zusammenarbeiten. Lettland hat die guten bilateralen Beziehungen mit den zentralasiatischen Ländern und seine Kenntnisse der Region während seiner Ratspräsidentschaft effektiv genutzt. Die Ratspräsidentschaft hat drei Bereiche der Zusammenarbeit mit den Staaten dieser Regionen in den Mittelpunkt gerückt:

  • Sicherheit (vor allem die Stärkung der Grenzen, Bekämpfung der organisierten Kriminalität und des Drogenschmuggels, Anti-Terror-Zusammenarbeit, Verringerung der Gefahr durch ausländische Kämpfer)

Eine der wichtigsten Initiativen ist das zentralasiatische Grenzverwaltungsprogramm (Border Management Programme in Central Asia (BOMCA)). Das wichtigste Ziel des Programms ist die Unterstützung bei der stufenweisen Einführung moderner Grenzverwaltungsmethoden in allen fünf zentralasiatischen Staaten. Die wichtigsten Ziele der modernen Grenzverwaltung sind die Verbesserung der Grenzsicherheit und die Förderung des legalen Handels und der Transitbewegungen. BOMCA beinhaltet sowohl institutionelle Reformen und die Verbesserung der beruflichen Fähigkeiten sowie den Aufbau der Kapazitäten zur Drogenbekämpfung und die Verbesserung der Grenzübergänge.

Zu Verbesserung in diesem Bereich hat die EU 8,79 Millionen Euro bereitgestellt und die Umsetzung des Programms ist in einem Zeitraum von 36 Monaten geplant. Lettland wird zum ersten Mal in der Geschichte die Rolle des führenden EU-Mitgliedsstaates bei der Verwirklichung des Projekts einnehmen. Die lettische Grenzschutzverwaltung ist wesentlich für die Umsetzung des Projekts verantwortlich und wird die ebenfalls involvierten Teilnehmer aus anderen EU-Mitgliedsstaaten (Österreich, Litauen, Ungarn, etc.) koordinieren. Mit der praktischen Umsetzung des Projekts, das bis 2018 läuft, wird im Herbst 2015 begonnen werden.    

  • Bildung

Die Anpassung der Bildung an die Anforderungen des Arbeitsmarktes sowie die Einführung von Qualitätsmanagement und die Anhebung des Bildungssniveaus sind besonders wichtig, da die Mehrheit der Bevölkerung in Zentralasien unter 25 Jahren alt ist und ein erhebliches Potential für die Entwicklung der einzelnen Länder und der Region darstellt. 

Die Europäische Bildungsinitiative für die zentralasiatische Region wurde mit dem Ziel gegründet, das Hochschulsystem zu entwickeln, die Institutionen und den Lernprozess zu modernisieren und eine Anpassung der Qualifikationen zu ermöglichen, um die internationale Zusammenarbeit im Bereich Bildung zu fördern. Die Zusammenarbeit beinhaltet ebenfalls Ausbildungsprogramme für Mitarbeiter staatlicher Institutionen sowie eine erhöhte Anzahl an Stipendien für zentralasiatische Studenten, die in der EU studieren und eine gemeinsame Finanzierung für die Verwirklichung der Ziele im Bildungsbereich. 

EU-Bildungsprogramme, insbesondere ERASMUS +, sind wesentliche Instrumente, die den zentralasiatischen Institutionen helfen, sich zu modernisieren, ihre Kooperationsnetzwerke auszubauen, so dass mehr und mehr Menschen internationale Erfahrungen sammeln können. Die Verbindung von Bildung, Forschung und Arbeitsmarkt wird die Entwicklung von Innovationen und Beschäftigungsmöglichkeiten für Jugendliche fördern und gleichzeitig einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung und Nachhaltigkeit in der Region leisten.

Gleichzeitig führt das lettische Außenministerium zusammen mit Partnern (USA, Luxemburg, Norwegen, Schweden, etc.) ein Programm zur Qualifikationsförderung ein, das in der Riga Graduate School of Law und ihren Partnereinrichtungen innerhalb eines gemeinsamen Projekt bereits seit 2014 umgesetzt wird. Das Programm beinhaltet einen dreimonatigen Qualifikationskurs für Vertreter aus den Bereichen EU-Nachbarschaftspolitik und Staatsverwaltung der zentralasiatischen Staaten, dem diplomatischen Dienst sowie der Zivilgesellschaft in Rechts- und Wirtschaftswissenschaften und beinhaltet ebenfalls Besuche der EU-Institutionen.

  • Nachhaltige Entwicklung (Verbesserung der Verkehrsverbindungen, Zusammenarbeit im Energiebereich, Umwelt und Klimawandel)

Die zentralasiatische Region steht vor großen ökologischen Herausforderungen und diese werden direkt vom Klimawandel beeinflusst. Da die Länder sich in einem von Land umgebenen Territorium und Gletschergebiet befinden, macht die Landwirtschaft einen erheblichen Teil der Wirtschaft aus und Wasser ist in Zentralasien eine der wertvollsten Ressourcen.

Der Dialog zwischen der EU und Zentralasien über Umweltfragen wurde begonnen, um den Umweltschutz, die Verwaltung der Wasserressourcen und die Zusammenarbeit zwischen den zentralasiatischen Staaten im Wasserressourcenmanagement zu fördern. Die Zusammenarbeit auf diesem Gebiet umfasst ebenfalls die Verbesserung der Land- und Forstwirtschaft, den Stabilisierungsprozess bezüglich des Verschwindens des Aralsees sowie den Klimawandel und die Naturkatastrophenvorsorge durch die Einführung von sauberen Technologien. 

GBGB

Zentralasien im Fokus der lettischen Ratspräsidentschaft

Eine der Prioritäten der lettischen EU-Ratspräsidentschaft ist „ein engagiertes Europa“, bei deren Umsetzung besonders Zentralasien und die engere Zusammenarbeit der EU mit den Ländern dieser Region im Mittelpunkt steht. Die Umsetzung dieser Priorität erfolgt in Zusammenarbeit mit der Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union, Federica Mogherini, dem Europäischen Auswärtigen Dienst sowie der Europäischen Kommission.

  • EU-Sonderbeauftragter für Zentralasien – Gewährleistung einer politischen Führung auf hohem Niveau 

Die Ratspräsidentschaft vertrat die Position, dass die Wiedereinführung des Postens des EU-Sonderbeauftragten für Zentralasien wichtig ist, da die Europäische Union in Zentralasien seit März 2014, als der vorherige Beauftragte zurücktrat, nur durch kleine politische Mandate auf der Ebene eines Gesandten vertreten war.

Durch die Unterstützung der Hohen Vertreterin und der Mitgliedsstaaten wurde dieses Ziel erreicht und seit Mitte April diesen Jahres ist Peter Burian, Vertreter des Außenministeriums der Slowakei und ehemaliger slowakischer Botschafter in der NATO, den USA und der UNO in seinem Amt als EU-Sonderbeauftragter für Zentralasien bestätigt. Als einer seiner Berater wurde ein Vertreter des lettischen Außenministeriums ernannt. Mit dieser Entscheidung bestätigt die EU, dass sie ihre Präsenz in der Region, durch die Gewährleistung ihrer fortdauernden Beteiligung bei der Lösung von Fragen in der Region auf hoher politischer Ebene, steigern und die begonnene Zusammenarbeit fortsetzen wird.

  • Überprüfung der EU-Zentralasien-Strategie

Seit der Verabschiedung der EU-Zentralasien-Strategie sind acht Jahre vergangen und sowohl die Staaten der EU, als auch Zentralasiens sind überzeugt, dass die regionalen und wechselseitigen Beziehungen durch deutliche Fortschritte gekennzeichnet sind. Zuletzt wurden die Fortschritte bei der Umsetzung der Zentralasienstrategie im Juni 2012 ausgewertet, als ihre Relevanz und die Schwerpunkte der Zusammenarbeit erneut bestätigt wurden. Dieses Jahr, während der lettischen Ratspräsidentschaft, fand der vierte Überprüfungsprozess der Zentralasienstrategie statt und während der Tagung des Rates für Auswärtige Angelegenheiten am 22. Juni wurde die überarbeitete Strategie bestätigt.

Im Zuge der Überprüfung der EU-Zentralasien-Strategie blicken die Staaten auf ihre Leistungen zurück, heben Erfolge hervor und berücksichtigen die neuen Herausforderungen der Region für die weitere Umsetzung der Strategie. Die Mitgliedsstaaten widmen sich in der neuen Strategie der Förderung der Handels- und Energiebeziehungen sowie einer Stärkung der Zusammenarbeit für die Gewährleistung von Sicherheit und Stabilität. Die überarbeitete Strategie hebt die Förderung des Nachhaltigkeitgrundsatzes für die Entwicklung in allen Bereichen der Zusammenarbeit hervor. Zur gleichen Zeit achtet die EU mehr auf die Förderung eines zuverlässigen und attraktiven Investitionsklimas und der bilateralen Beziehungen.

Während der lettischen Ratspräsidentschaft vertrat der lettische Außenminister Edgars Rinkēvičs die Hohe Vertreterin der EU und leitete die EU-Dialoge mit Kasachstan und Usbekistan. Im März fand in Duschanbe (Tadschikistan) der hochrangige EU-Zentralasien-Dialog zum Thema Sicherheit statt, bei dem die erforderlichen Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheitslage in der zentralasiatischen Region diskutiert wurden. 

Lettland hat die Einführung des vertieften Partnerschaftsabkommens zwischen der EU und Kasachstan aktiv unterstützt und begrüßt außerdem die Verhandlungen über den Beitritt Kasachstans zur Welthandelsorganisation, da diese beiden Schritte die Bedeutung Kasachstans bei der Entwicklung der Handelsbeziehungen stärken werden.  

  • Veranstaltungen der Ratspräsidentschaft

Die lettische Ratspräsidentschaft hat durch eine Reihe verschiedener Veranstaltungen in Lettland, Brüssel, in den Hauptstädten der zentralasiatischen Staaten sowie in den Hauptstädten der EU-Mitgliedsstaaten während der letzten sechs Monate die Diskussion über wichtige Fragen bezüglich der zentralasiatischen Region gefördert. Zum Beispiel führte das Green Bridge Forum in Lettland Unternehmensvertreter aus verschiedenen Ländern zusammen, um über saubere Technologien und nachhaltige Entwicklung zu diskutieren, während die Ratspräsidentschaft in Brüssel Konferenzen über die Zusammenarbeit beider Regionen, die Verhinderung einer Verbreitung von Drogen, Terrorismusbekämpfung sowie zu den wirtschaftlichen Möglichkeiten von Frauen veranstaltete.

Eine der letzten Veranstaltungen der Ratspräsidentschaft in diesem Bereich ist die erste Tagung der Bildungsminister der EU und Zentralasiens, die einen starken Impuls für die weitere Zusammenarbeit zwischen den beiden Regionen auf dem Gebiet der Bildung auf hoher politischer Ebene geben wird. An der Tagung nehmen die Bildungsminister der EU und der zentralasiatischen Staaten sowie Vertreter der EU-Institutionen teil. Während der Tagung ist geplant, aktuelle Themen bezüglich der Hochschul- und Berufsbildung zu erörtern und die Unterstützung der EU für die Bildung in den zentralasiatischen Staaten zu besprechen.Ebenso werden den zentralasiatischen Delegierten die lettischen Reformerfahrungen auf dem Gebiet der Bildung präsentiert. 

Verwendete Quellen:

Beziehungen der EU mit Zentralasien (auf Englisch)
EU-Strategie Dokument 2007 (auf Englisch)
Politik der lettischen Ratspräsidentschaft und der EU gegenüber Zentralasien (auf Englisch)
Die Handelsbeziehungen mit Zentralasien (auf Englisch)