Ende Juni werden mehr als 6 000 Stimmen Riga mit Musik erfüllen, wenn sich die Chöre verschiedener Länder während des Nordisch-baltischen Chorfestivals versammeln. Die anspruchsvolle Veranstaltung wird zugleich der feierliche Abschluss des Kulturprogramms der lettischen EU-Ratspräsidentschaft sein.
Die lange Geschichte des lettischen Lieds
Das gemeinsame Singen hat sich über Jahrhunderte entwickelt und das lettische Volk kann sich stolz als Sängervolk bezeichnen. Es ist bekannt, dass das erste lettische Volkslied im 16.Jahrhundert veröffentlicht und die erste Volksliedersammlung im 18.Jahrhundert erstmals zusammengestellt wurde. Inspiriert von den Gesangsvereinen Westeuropas, entstanden um diese Zeit die ersten lettischen Chöre. Das erste allgemeine lettische Sängerfest im Jahr 1873 legte den Grundstein für die Lieder- und Tanzfesttradition so wie wir sie heute kennen.
Das allgemeine lettische Sängerfest, das einmal in fünf Jahren stattfindet, ist wahrhaftig ein Kulturfest. An diesem Fest nehmen sowohl Chöre, Tanzgruppen, Blasorchester, Ensembles, die das typisch lettische Instrument „Kokle“ spielen, Folkloregruppen, sowie Handwerker und Amateurtheater teil. Neben den Konzerten, Freilichtaufführungen und dem grandiosen Umzug aller Festteilnehmer, finden ebenfalls Chor- und Tanzwettbewerbe statt. Es handelt sich um eine Tradition, die im Zeitraum von fast 150 Jahren von 1 000 zu mehr als 40 000 Teilnehmern angewachsen ist und der ganzen Welt von Lettland berichtet und zeigt, dass Kunst und Kultur eine starke Quelle der Hoffnung, des Glaubens, der Zusammengehörigkeit und der Kraft sind, die sich selbst, ihre nahen Angehörigen, das Volk und die ganze Welt feiern.
In Lettland singen viele Familien in mehreren Generationen in Amateurchören und tanzen in Tanzensembles. So wird die Sängerfesttradition im Alltag aufrechterhalten und das Fest selbst ist der Höhepunkt einer fünfjährigen unermüdlichen Arbeit.
„Das Sängerfest ist nicht nur von großer Bedeutung für unser nationales Selbstbewusstsein und die Stärkung des nationalen Staates. Das Gesangs- und Tanzfest bestätigt ebenfalls unsere Zugehörigkeit zur europäischen Kultur und bietet eine hervorragende Inspirationsquelle und einen Rahmen für den interkulturellen Dialog“, betont Dace Melbārde, Kulturministerin der Republik Lettland.
Die lettische Sängerfesttradition wurde zusammen mit dem estnischen und dem litauischen Sängerfest im Jahr 2008 in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit der UNESCO aufgenommen. Solche Gesangsfesttraditionen gab es früher im Großteil Europas, doch nur im Baltikum überlebten sie. Heute hat die ganze Welt sie als Kulturerbe anerkannt, wodurch ihre kulturelle Diversität und Überlebensfähigkeit deutlich wird.
„Solche Meisterwerke gibt es nicht mehr viele auf der Welt. Gäbe es nicht den Enthusiasmus der Menschen in Lettland, Litauen und Estland, dann gäbe es keine Gesangs- und Tanzfesttraditionen. Das Fest erzählt von den Liedern und Tänzen als Teil der europäischen Kultur. Wie viel wäre verloren gegangen, wenn nur Bilder und nicht Menschen von diesem Fest zeugen könnten?“ erklärt die UNESCO.
Das Nordisch-baltische Chorfestival feiert sein 20.Jubiläum
Dieses Jahr finden sich die nordischen und baltischen Länder zusammen, um das 20-jährige Bestehen des regionalen Gesangsfestes zu feiern, dessen Ideenautor der hervorragende lettische Dirigent Imants Kokars (1921-2011) war. Die Tradition des Nordisch-baltischen Chorfestivals begann 1995 mit dem Ziel, Amateurchöre verschiedener Länder zusammenzuführen und ein gemeinsames a cappella Singen zu entwickelt, das ein Merkmal der baltischen Länder ist.
„Nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit, war es den drei baltischen Ländern, die durch die Okkupationsjahre hindurch die Sängerfesttradition aufrechterhalten hatten, besonders wichtig, ihre Zugehörigkeit zur europäischen Kultur zu unterstreichen und das Zusammengehörigkeitsgefühl mit den Ostseenachbarn zu stärken. So entwickelte sich das Nordisch-baltische Chorfestival“, erklärt Dace Melbārde.
Das erste Festival fand in Riga statt und es nahmen fast 6 000 Sänger daran teil. In den nächsten Jahren wurde das Festival in den folgenden nordeuropäischen Städten veranstaltet:
- Visby, Schweden (1997)
- Skien, Norwegen (2000)
- Klaipeda, Litauen (2002)
- Tartu, Estland (2008)
- Reykjavik, Island (2010)
- Helsinki, Finnland (2012)
Im 20.Jubiläumsjahr kehrt das Fest in die Heimat des Ideenautors, nach Lettland, zurück. Während des Festivals vom 25. bis 28.Juni nehmen Chöre, Tanzgruppen und Blasorchester aus Dänemark, Estland, Finnland, Island, Lettland, Litauen, Norwegen und Schweden sowie der lettischen Diaspora aus Österreich, Russland, der Schweiz und sogar Australien teil. Insgesamt werden 8 000 Teilnehmer zusammenkommen.
Das Programm des Festes
Das Programm des Festes ehrt den Pionier der lettischen Chormusikbewegung, Imants Kokars. Er ist der Ideenautor des Nordisch-baltischen Chorfestivals, der Gründer des international anerkannten Chors Ave Sol aus Riga, ein Förderer junger Komponisten und Autor einer Anthologie der lettischen Chormusik. Am 13.Juni finden in der latgallischen Botschaft GORS und am 25.Juni in der großen Aula der Universität Lettlands Gedenkkonzerte für Imants Kokars statt.
Am 26.Juni werden in der lettischen Musikakademie Meisterklassen abgehalten, während derer die Besucher den Chorgesang im Pop- und Jazzstil erlernen können und sich mit den besten Beispielen der Chormusik der Teilnehmerstaaten vertraut machen können. Um 15.00 Uhr wird der Umzug der Teilnehmer in der Altstadt stattfinden. Der 27.Juni ist zum Regionaltag ernannt worden: die ausländischen Gäste werden Konzerte in Bauska, Cēsis, Jūrmala, Ogre, Sigulda und Tukums geben.
Am Abschlusskonzert am 28.Juni auf der großen Bühne in Mežaparks, Riga, werden sich mehr als 6 000 Sänger zu einem gemeinsamen Chor vereinen, der sowohl Lieder der vergangenen Nordisch-baltischen Chorfestivals, als auch neue Lieder aus allen Teilnehmerstaaten des Festivals vorführen wird. Der Höhepunkt des Konzertes wird die Kantate Carmina Burana des deutschen Komponisten Carl Orff sein: erstmals wird sie von so vielen Sängern gesungen werden. Carmina Burana ist eines der am häufigsten wiedergegebenen Musikwerke des 20.Jahrhunderts. Der Komponist selbst bezeichnete dieses Werk als Sieg der Seele und des Geistes durch die Synthese des Körperlichen und des Kosmischen.
„Damit erbringen wir unsere Hochachtung für die Europäische Union und die EU-Ratspräsidentschaft, auf die ich sehr stolz bin, und wird uns eine Ehre sein. Dieses Werk kennt auf dieser Welt jeder, es stammt aus Europa und ist sehr interessant, gemeinsam zu singen, während es nicht einfach ist, es einzeln zu singen“, erklärt Romāns Vanags, künstlerischer Leiter des VIII Nordisch-baltischen Chorfestivals.
Das Abschlusskonzert des Festivals ist ebenfalls der Höhepunkt des Kulturprogramms der lettischen EU-Ratspräsidentschaft. Die Veranstaltung lenkt dadurch die Aufmerksamkeit ganz Europas auf die Festivaltradition.
Das VIII Nordisch-baltische Chorfestival wird vom Kulturministerium der Republik Lettland und dem Nationalen Kulturzentrum Lettlands in Zusammenarbeit mit dem Außenministerium der Republik Lettland und dem Sekretariat der lettischen Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union, Lettlands Gemeinden, dem Lettischen Fernsehen und Radio, von Nichtregierungsorganisationen sowie baltischen und nordischen Organisationen veranstaltet.
Das Veranstaltungsprogramm ist auf der offiziellen Webseite des Festivals zu finden: www.nordicbalticchoir.lv
Tickets für die Veranstaltungen des Nordisch-baltischen Chorfestivals sind an den Kassen von Biļešu paradīze und auf www.bilesuparadize.lv erhältlich.